Gemeinde
Menschen der Frühzeit in unserem Raum
Wie bei allen anderen Orten unserer Gegend muß man auch im Falle unserer Gemeinde feststellen, daß eine Antwort auf eine solche Frage nicht gegeben werden kann, daß selbst Schätzungen sehr vage schriftliche Aufzeichnungen gibt es bekanntlich vor der Zeit der Missionierung in unserem unmittelbaren Raum ebensowenig wie Bodenfunde im Siedlungsbereich des Dorfes, die derartige Hinweise geben könnten.
Das, was an Theorienbildung denkbar und möglich ist, beschränkt sich auf den Rückgriff allgemein bekannter geschichtlicher Abläufe und der Schätzung, ob unter diesen Gegebenheiten das Dorf Nieder-Ohmen bereits existiert haben kann. Die Menschen, die in der Früh- und Vorzeit bei uns lebten, verraten uns heute ihre Anwesenheit durch die Bodenfunde, Hinterlassenschaften, die sich von ihnen im Boden erhalten haben.
In der Steinzeit noch keine Besiedlung in unserem Raum
Für die bekannten Zeitepochen der Geschichte lassen sich folgende Aussagen für unseren Raum machen. Für die Altsteinzeit (600.000 bis 10.000 vor Christi) und die mittlere Steinzeit (10.000 - 5.000 vor Christi) läßt sich an Hand verschiedener Funde feststellen, daß Menschen unseren Raum berührt haben. Von einer Besiedlung kann nicht gesprochen werden.
Steinzeitfundorte
Fundstellen der Altsteinzeit sind in Neuhaus bei Homberg, Wahlen, Ruhlkirchen, Rainrod und Brauerschwend (Jorns) und bei Treis/Lumda (Steinabschläge), solche der mittleren Steinzeit in Stumpertenrod (Dietz) und Ehringshausen (Müller). In der Jungsteinzeit (5:000 bis 2.000 vor Christi)lassen sich anhand der :Bearbeitung der Tongefäße allgemein mehrere Kulturen feststellen. Bis auf Einzelfunde weist der Kreis Alsfeld und auch der weitere Raum selbst der Wetterau - keine Besonderheiten auf (Jorns).
Aus diesem Grund ist der, leider in der Literatur kaum erfaßte und inzwischen wohl bis auf ein Steinmesser verschwundene, größere Funde aus der Eisenkaute bei Nieder-Ohmen von größter Bedeutung. Er wird nachfolgend behandelt. Die vorliegenden. Funde im Kreisgebiet selbst geben Aufschluß über Bewegung der Völker der Frühzeit u.a. die der indogermanischen Wanderungen (Stephan).
Wichtigste Zeugen der Jungsteinzeit - die Schuhleistenkeile
Angesichts der wenigen Einzelfunde kann man nach Crusius lediglich in der Jungsteinzeit - und zwar in den letzten Perioden, in der Zeit von 3000 bis 2000 v. Chr., von einer gewissen Besiedlung sprechen. Aus dieser Zeit liegen aus dem nördlichen Vogelsberg auch keine größeren Funde und Gräber vor
In Grünberg fanden sich weder in der Schule noch in der städtischen Sammlung Reste des Fundes, Sollte er von dem Direktor der Schule, Dr. Angelberger, einem engagierten Heimatforscher, im Museum und Archivraum der Stadt, der sich im Rathaus befand, aufbewahrt worden sein, dann dürften ihn Besatzungssoldaten 1945 verschleppt haben, sollte er von Dr. Angelberger in privater Hand gepflegt worden sein, dann fiel er einem Bombenangriff in Gießen zum Opfer. In der Schule selbst- so berichten übereinstimmend Lehrkräfte der Schule - habe man den Fund nicht gekannt. Schließlich fand der Fund dennoch seine Gegenbestätigung.
Zunächst konnte sich Prof. Dr. Heinrich Sprankel (ein Schüler der Grünberger Schule) aus dem Jahre 1937 an ein Steinmesser erinnern, daß aus Nieder-Ohmen gestammt haben soll. Dann wies die Tochter von Dr. Angelberger, Frau Scheld (Gießen)auf einen Bericht der Schule über das Schuljahr 1927-28 hin, in dem unter Schenkungen vermerkt war: Schlíffer IIIa, 1 Steinmesser. (Dieses Steinmesser überbrachte Frau Marie Kraft geb. Schliffer in dem genannten Jahr nachträglich der Schule). Bei Nachfragen im Oberhessischen Museum in Gießen fand sich ein Steinmesser (vielleicht das 1927/28erwähnte), das dem Verlust bei der Bombardierung des Museums deshalb nicht in der Bestimmung verloren ging weil Fundort Nieder-Ohmen daran geschrieben worden war.
Die Aussagen über den Umfang des Fundes, die die Töchter des Bergwerksbetriebsführers Moritz Schliffer, Frau Irmgard Schneider, geb. Schliffer und Frau Marie Kraft, geb. Schliffer, als letzte zu nennende Zeugen aus Kinderjahren machten, dürften eine unerwartete Bestätigung in dem Buch ,,Oberhessens vorgeschichtliche Altertümer" (1926) von Prof. Dr. Otto Kunkel unter dem Kapitel VI ,,Gemarkungen mit Steingerätefunden" auf Seite 68 unter Kreis Alsfeld finden. Der vorhandene Sperrdruck deutet nach vorliegendem Hinweis auf einen größeren Fund.
Auf Seite 53 wird überdies der Fund eines Schuhleistenkeiles gemeldet. Da kein Fundort und kein Funddatum angegeben ist, kann man allerdings nur mutmaßen, daß es sich um den Eisenkauten-Fund handelt. Es ist anzunehmen, daß der verlorengegangene Fund und eine fehlende Beschreibung Grund dafür sind, daß die bekannten neueren heimatgeschichtlichen Autoren (Krüger, Stephan, Jorns) nicht :auf diesen Fund eingehen, da er bei fehlenden Scherben der Jungsteinzeit nicht zu klassifizieren ist.
Die Hügelgräberfelder der Bronzezeit
Im Zeitraum der Bronzezeit (2.000 bis &0-0 vor Christi)sind folgende Fakten in unserer Heimat zu nennen: 1. In der Urnenfelder Bronzezeit (1200 bis 800 v. Chr.)gibt es reichhaltige Funde im Kreis Gießen, aber kaum Hinweise im Kreis Alsfeld und Vogelsberg.2. Im Raum des Kreises Alsfeld und Kreises Gießen finden sich viele Hügelgräberfelder (250 Grabhügel, im Kreis Alsfeld)- (Stephan) u.a. in den nahegelegenen Gemarkungen Nieder-Gemünden, Hainbach, Otterbach,Ehringshausen (Kunkel). Nach Eberhard Crusius 1974 liegt eine auffallend starke Besiedlung der Osthälfte des Vogelsbergs vor mit einer Besiedlungsrichtung aus Norden bzw. Nordosten. Die starke Siedlungswelle bringt man mit einem besonderen Trockenklima in Verbindung.
Die Kelten
Der Versuch, eine Ansiedlung im Gebiet des Dorfes (Hallstatt- (800-430 v. Chr.) und Latenezeit (450 v.Chr. bis Jahr O) in keltischer Zeit zu suchen, läßt sich als älteste Möglichkeit rechtfertigen. Man muß ihn aber im Zusammenhang mit der umfangreichen Fragestellung des Nachweises der Kelten in unserem Gebiet selbst sehen. Nach der gesamtgeschichtlichen Darstellung befindet sich unser Gebiet im Übergangsgebiet zwischen den Kelten in Süd- und den Germanen in Norddeutschland. Keltische Funde der Ausprägung des süddeutschen und südhessischen Raumes wurden bei uns nicht gemacht.
Allerdings kann man für unseren Bereich folgende Funde (vielleicht auch Importe aus dem keltischen Gebiet) anführen: einem keltischen Münzenfund in Deckenbach; Pctschaftring, Fibeln inOber-0fleiden; Goldmünze in Romrod; Goldmünze in Lollar Regenbogenschüsselchen-Münze in Allendorf-Lumda und Gießen (Kunkel).Der Bachnamen wurde oft zum Dorfnamen Ringwälle werden auch im Kreis Alsfeld angenommen. Bekannte Anlagen dieser Art weisen der Dünsberg und die Amöneburg auf (von Brunn). Sagen, Flur- und Ortsnamen sind keltischen Ursprungs (Sagen von der wilden Frau und von Steinen u.a. vom Heinzelmann bei Ehringshausen und Steinen im Vogebsberg).Im Raum der Wetterau und des Randvogelslberges kann man die Anwesenheit keltischer Völker annehmen.
Man spricht allerdings dem Vogelsberg selbst eine geringe Besiedlung bis Siedlungsleere zu (Stephan)und führt diesen Umstand auf einen Klimasturz um 800 v. Chr. zurück. Für unser Dorf liegt es auf der Hand, Überlegungen wegen des keltischen Namens Amania" anzustellen, ob es in dieser Zeit bereits bestanden hat. Dabei kommt man an dem Umstand nicht vorbei, daß Amana nicht die Siedlung, sondern den Bach bezeichnet. Bei Ansiedlungen, die sich oft flußaufwärts vollzogen, nahmen die Menschen häufig den Namen des Baches für ihre Dörfer an, wie sich mehrfach im Kreis Alsfeld mit Felda und Schwalm u. a. anführen läßt.
Zwei Gesichtspunkte sollten zum Schluß dieser Überlegungen zu Ansiedlungen im Dorfbereich Nieder-Ohmens genannt werden: 1. Muß man das Vorkommen des Eisensteins anführen, den die Kelten suchten und in ihren Brennöfen verarbeiteten. Für den Westerwald und das Lahn-Dill-Gebiet gibt es keltische Abbauspuren. (Kunkel)Schlackenreste wurden in Nieder-Ohmen an verschiedenen Stellen gefunden. Eine systematische Erforschung ihres Ursprungs sollte an gestrebt werden. 2. Stellt der großräumige Talkessel im Bereich Nieder-Ohmens mit seiner Einordnung zwischen Wetterau, Gießener Becken und Amöneburger Becken ein Angebot zu Siedlungszwecken dar.
Chatten und Römer
Ob im Zeitraum der Germanen und des Chattenstammes der Siedlungsplatz Nieder-Ohmen bewohnt war, darüber läßt sich mit Hilfe römischer Berichte mutmaßen. Sie geben trotz vieler Ungenauigkeiten allerdings ein weit besseres Bild dieser Zeit ab, als es Bodenfunde vermögen, 58 v. Chr. besiegt Caesar dieSweben unter Ariovist im südlichen Elsaß. Die Sweben mußten über den Rhein zurück und zogen in den Raum nördlich des Mains, in die Wetterau und den Vogelsberg.
Der swebische Teilstamm der Quaden verdrängte in Oberhessen díe Tenkterer und Usipeter, die ihrerseits im Mittelrheingebiet den Strom 55 v. Chr. überschreiten wollten und von den Römern geschlagen wurden. Die Quaden dürften auch nach den in Nordhessen angenommenen Chatten ins Land gekommen sein. Ihre Aktionen gegen die Römer setzten sie un-unterbrochen fort. Um den Ubiern (von Quaden verdrängt) zu helfen, zog der römische Statthalter Agrippa 38 v. Chr. Diesen Stamm auf linksrheinisches Gebiet. Das frei gewordene Land in Wetterau und Rheingau bis zur unteren Lahn gab er vertraglich den Chatten, die mit den Quaden verfeindet waren. Der chattische Teilstamm der Mattiaker besiedelte das genannte Gebiet.
Die Chatten zogen sich durch die Freundschaft mit den Römern die Feindschaft der südlich gelegenen Quaden und der nordwestlich angrenzenden Sugamberer zu. Drusus verwüstete die südhessischen Siedlungen. Zu dieser Zeit trat ein Sinneswandel der Chatten ein. Sie erkannten wohl nunmehr die Unterwerfungsabsichten der Römer, die in Oberaden an der Lahn und in Friedberg (inmonteTauno) Kastelle errichtet hatten, und überfielen l0 v. Chr. gemeinsam mit den Sugamberern das Lager Olseraden. Drusus verwüstete daraufhin ihre südhessischen Siedlungen. Vom Taunus aus führte er heftige Schläge gegen die Quaden und Markomannen, die daraufhin nach Böhmen abwanderten. Ihre Siedlungsgebiete in Vogelsberg und Rhön dürften danach den Chatten zugefallen sein.
Die Chatten verhinderten das Vordringen der Römer
Die Chatten unterwarfen sich jedoch nicht, was zur Folge hatte, daß sie 6 n, Chr. erneut die Römer im Land hatten. 9 n. Chr. besiegten Cherusker und Chatten unter Arminius die drei Legionen des Varus im Teuteburger Wald, was nicht die endgültige Befreiung Germaniens von den Römern bedeutete. Die Chatten waren es vielmehr für ein Vierteljahrtausend, die das Vordringen der Römer vornehmlich verhinderten. Mit einer großen Streitmacht drang Germanicus im Jahre 15 n. Chr. in das Chattenland ein und zerstörte Mat- tium, den chattischen Hauptort, den Bereich Metze und Maden im Raum Fritzlar. Auf seinem Weg nach Nordhessen benutzte er den Ohmübergrang bei Amöne- burg. Von Erfolg war dieser Zug nicht, denn Chatten und Cherusker brachten in anderen Aulseinandersetzungen den Römern Verluste bei, so daß die Römer weitere Eroberungszüge fallen ließen.
Die Chatten überfielen in den Jahren 39, 51 und 69 die Römer und stießen sogar über den Rhein vor - wo sie allerdings zurückgeschlagen wurden. Mit zwei großen Angriffskriegen unter Kaiser Domitian und dem Bau des Limes wurden die Gebiete zwischen Rhein und Donau von den Römern erobert und bis zum Jahre 250/260 gehalten. Im 3. Jahrhundert begann der Sturm gegen den Limes Die Chatten ließen sich weder militärisch noch diplomatisch von den Römern einnehmen, blieben im Gegensatz zu den anderen Stämmen der große Gegner der Römer (so Tacitus). Im 3. Jahrhundert begann der Sturm der Alemannen und der Chatten gegen den Limes. Die Alemannen breiten sich in dieser Zeit wohl auf Kosten der Chatten im Vorfeld des Limes (von der Glauburg bis nach Mainz) aus.
Im Jahre 213 werden die Chatten letztmals erwähnt. Aufsplitterungen des Stammes werden u. a. als Ursache ihres Verschwindens von der Bildfläche der Geschichte gedeutet. Chattische Stämme sind bald Teile des wachsenden Frankenreiches. 4 bzw. 2 chattische Häuptlinge glaubt man für das1. Jahrhundert nennen zu können. Ucromems und Catumerus sowie Gandestrius und Arpus. Nach anderen Überlegungen sollen Ucromems und Arpus und Catumerus und Gandestrius identisch sein. Man folgert weiter, daß es zwei Chattengaue zu dieser Zeit gegeben haben kann, den Hessengau (Niederhessen) mit Catumerus/Gandestrius und den Lahngau (Oberhessen) mitArpus/Ucromenrs mit Sitz in Amöneburg. (Arpus muß in der Nähe der römischen Grenze gesessen haben, denn 16. n. Chr. entführt ihn der römische Legat Siliusbei einem Kriegszug Frau und Tochter).
Wissenswert dürfte ferner sein, daß im Gießener Becken ein chattischer Teilstamm lebte, der mit den Römern einen Friedensvertrag geschlossen hatte. Dieses wechselvolle Geschehen im hessischen Raum läßt die Frage nach einer Besiedlung unserer Gegend durch unseres Dorfes in besonderem Licht erscheinen. Man kann Überlegungen anstellen, ob bei den vorliegenden Stammesverschiebungen eine bodenständige Bevölkerung - bereits etwa aus keltischer Zeit verblieb, oder aufgegebene Siedlungsplätze von nachrückenden Stämmen in Besitz genommen wurden.
Nieder-Ohmen war Sitz eines Zentgerichtes
Über die Besiedlungsdichte und Siedlungen selbst sagen die genannten Quellen nichts. Hier ist man viel mehr auf Ergebnisse der Bodenforschung angewiesen. Aus verschiedenen Zusammenhängen des Gerichts- und Kirchenwesens kann geschlossen werden, daß Nieder-Ohmen Sitz eines Zentgerichtes war, das als Volksgericht auch weit in die germanische Zeit zurück reichen sollte.
Chatten und Franken
Nach 260 vermißt man bis zum 8. Jahrhundert die Geschichtsschreibung und ist auf die Hilfe der Bodenfunde, Ortsnamenskunde und sonstiger Überreste angewiesen, um den geschichtlichen Ablauf zu bestimmen. Eine Daueransiedlung gerade alter Dörfer ist für diese dunkle Epoche im Vogelsbergraum anzunehmen. Die Auflösung des Chattenstammes und sein Verhältnis zu den Franken, sowie des Überganges chattischer Teilstämme in den fränkischen Verband stellten die wesentlichen Vorgänge dar.
Man geht als gesichert davon aus, daß sich Hessen aus dem Wort Chatten ableitet. Die gängige Ansicht, die Chatten seien bei der Völkerwanderung in Hessen sitzengeblieben, scheint nicht ganz zu stimmen. Vielmehr muß angenommen werden, daß Teilstämme erheblich wanderten, ein deutlicher Rest aber auch verblieb. Das Verschwinden der Chatten und das Eingliedern Hessens in den fränkischen Verband scheint voneinander abhängig zu sein. Geräuschlos und ohne militärische Unterwerfung wurden offensichtlich die Chatten aus alten Stammesverbindungen Teile der Franken. Dem entspricht es, wenn die Chatten 392 und 465 ausdrücklich zu den fränkischen Völkerschaften gezählt werden (nicht der alte Chattenstamm, sondern die Nachfolger).
Hessisches und fränkisches Stammesrecht verdeutlichen weitere Beziehungen. Die Namen chattisch-hessischer Kleinstämme kennt man von einem Sendschreiben Papst Gregors III von 738. Es nennt in einem großen Kreislauf im Osten beginnend, nach Nordwesten ausholend und über Südosten nach Osten zurückbiegend, paarweise folgend einander benachbarte Kleinstämme: u.a. die Wohnsitze der Wedrecii. Sie sind nicht in der Wetterau zu suchen, da sie von Bonifatius nicht mehr missioniert zu werden brauchten, sondern im hessisch-westfälischen Grenzgebiet, wie eine Anzahl verwandter Wetter- Ortsnamen daselbst wahrscheinlich macht. Daraus ergibt sich dann, daß die mit den zusammen genannten Lognai nach Nachbarschaft und Name als (Ober)lahngauer anzusprechen sind.
Einbeziehung Hessens in den fränkischen Machtbereich
Die Einbeziehung Hessens in den fränkischen Machtbereich begann mit dem Frankenangriff auf die Alemannen im 4. Jahrhundert und endete mit ihrer Vertreibung aus dem hessischen Limesgebiet Ende des5. Jahrhunderts. Das untere Lahngebiet (Basis Neu-wieder-Becken) trat als Brückenkopf in Erscheinung(Frankenkönig Mallobandes). König hZallobandes stellt eine Übergangserscheinung zwischen Römern und Franken dar. Er war von den Römern als Kommandant der Palastgarde eingesetzt worden und spielte dann die Rolle des Königs im Frankenstamm. - In römischen Quellen wird das Flußgebiet von Lahn und Nidda als patria Francorum, als fränkisch, bezeichnet. Den ,,heim"-Orten folgten ,,bach"- und,, hausen" Orte.
Die Wirren der Völkerwanderung kann man sich jedoch nicht groß genug vorstellen. Mainz wurde in kurzer Zeit dreimal gestürmt und geplündert: 368durch die Alemannen untcr Rando, 406 durch Alanen,Alemannen und Vandalen, 451 durch die Hunnen, 506entschied der Frankenkönig Chlodwig die Auseinandersetzung mit den Alemannen für sich. Danach setzten fränkische Siedlungen (Ortsnamen-Endungen,,heim") in der Wetterau ein. Daß Chlodwig auch unser Gebiet übernahm, läßt sich an folgendem Vorgang ersehen. Teilkönig Sigbert von Köln wird auf der Jagd in der Buchonia auf Anratcn von Chlodwig ermordet. Chlodwig läßt anschließend Sigberts Sohn töten und übernimmt dessen Stellung. (Den ,,heim"-Orten 6. und7. Jahrhundert, folgten ,,bach"-Orte und ,,hausen"-Orte im 8. und 9. Jahrhundert in den Hauptsiedlungsgebieten). Für den Vogelsberg muß man jeweils ein Jahrhundert an späterer Siedlung bei gleichen Namen zugeben. Der Ausbau und die Sicherung großer Straßenzüge war ein anderer entscheidender Schritt zur Festigung der Frankenherrschaft in Hessen.
Im Abstand eines Tagesmarsches entstanden an den Straßen befestigte Plätze.Eindeutig ist hier fränkische Keramik zur Bestimmung anzuwenden, Ortsnamen sind mit Vorbehalt zu sehen. (Gräberfunde von Leihgestern und Friedberg). Mehrfache Mauern - und Grabanlagen sicherten die Befestigungsanlage (Kemenate, Königshaus). Sie selbst stellt ein steinernes Rechteckhaus dar mit einerFläche von ca. 10,7:6,3 Metern, einem Turm an der Südseite von 4,7:5,4 Metern, und einem absideartigen Halbrundbau an der östlichen Langseite von 4,4 McterTiefe (nach dem Beispiel des Gronauer alten Schlosses im Gleiberger Forst)
Siedlungswürdige Gebiete wurden von einer Burg beherrscht
Ein strategisch und siedlungswürdiges wichtigesGebiet wurde von einer Burg militärisch beherrscht. In ihm schuf man eine fiskalische Einheit, die sich aus dem Gefüge der Wehr- und Wirtschaftshöfe zusammensetzte. Bezeichnend war, daß sich die im Zentrum dichte Besitzmesse nach außen lockerte - u. a. im Amöneburger Fiskus. Dieses Fiskalland wir im Amöneburg-Ebsdorfer Becken in Vorhöfen (Großseelheim, Ebsdorf) zusammengefaßt, wie es die Landgüterordnung Karls des Großen forderte.
Wahrscheinlich zum unmittelbaren Schutz solcher Höfe und ihrer Bewohner dienten befestigte Anlagen wie etwa die Hunburg bei Burgholz oder die Höfe bei Dreihausen.Hessen Grenzmark gegen Sachsen Hinsichtlich der politischen Organisation gibt es strittige Ansichten. Für die besiedelten Gebiete muß eine solche angenommen werden. Die Urkunden aus dem 8.Jahrhundert zeigen an, daß es Gerichtsschreiber als amtliche Angestellten der Grafen gab, und Grafen ihre Grafschaft hatten. Hessen sollte in dieser Zeit als Grenzmark gegen Sachsen gesehen werden, deren militärische Organisation somit Vorrang hatte.
Nieder-Ohmen im Bereich einer bedeutenden fränkischen Höhenstraße
Nieder-Ohmen wird zur Blütezeit des fränkischen Reiches erstmals genannt. Man darf die damalige Siedlung als Dorf im Bereich einer bedeutenden fränkischen Höhenstraße durch Hessen ansprechen. (Der Kratzberg war nach Görich ein Kreuzungspunkt vor dem großen Wegestern im ,,Lichten Wald" bei Bernsfeld. Die Straße kam aus der Wetterau über Grünberg und führte weiter nach Burg Gemünden, Wahlen und Niederhessen). Nieder-Ohmen, Merlau und Flensungen sollten zur fränkischen Zeit (6. und 7. Jahrhundert),wegen ihrer alten Namen bestanden haben. (Merlau -germanische Zeit, Flensingen - fränkische Zeit). Bemerkenswert ist ihr Bestehen nebeneinander im Seenbachtal- Ohmtal am Fuße des Vogelsberges.
Wertvoller Fund bei der Renovierung der Flensunger Kirche
Daß sich der fränkische Einflußbereich auch für unser engeres Gebiet zeigt, hat Pfarrer i.R. Otto Christ, Flensungen in mehreren ortsgeschichtlichen Beiträgen zur Vergangenheit des Dorfes Flensungen und seiner Kirche, sowie des Flensunger Hofes erwähnt. Er weist besonders auf den wertvollen Fund des Jahres 1931 hin, den man bei der damaligen Renovierung der Flensunger Kirche gemacht hat. In dem altem Altar versteckt fand sich ein frühmittelalterliches Reliquienkästchen aus der fränkischen Zeit. Dieses ,,Reliquiar" ist aus einem elfenbeinähnlichen Knochenstück kunstvoll gefertigt und trägt an den Seitenwänden und auf dem Deckel Schmuckmotive, wie sie im10. Jahrhundert im Herrschaftsbereich der Franken typisch und üblich waren.
Als Leihgabe an das Hessische Landesmuseum
Dieses Kästchen wurde von dem Karlsruher Kunsthistoriker Dr. Kurt Degen wissenschaftlich eingehend untersucht und gewertet. Ein ausführlicher Bericht darüber findet sich in Heft 11 der Zeitschrift ,,Kunst in Hessen und am Mittelrhein" (E. Roeder Verlag.Darmstadt 1971). Am Schluß seiner Arbeit schrieb Dr. K. Degen auf Seite 18: ,,Als frühes und vollständig erhaltenes Reliquiar im mittelhessischen, speziell oberhessischen Raum mit gesicherter Herkunft verdient das Flensunger Reliquiar unsere besondere Beachtung". - Es wurde von der Kirchengemeinde Flensungen als Leihgabe dem Hessischen Landesmuseum in Darmstadt übergeben.
Ein ähnliches Reliquienkästchen mit den gleichen Schmuckmotiven wurde 1968 bei Ausgrabungsarbeiten an der kleinen ehemaligen iroschottischen Kirche im Licher Stadtwald - zwar nicht mehr vollständig erhalten, wie das Flensunger Kästchen - sondern in Bruchstücken aufgefunden. Diese Kirche des inzwischen untergegangenen Dorfes Hausen stammt urkundlich aus der Zeit um das Jahr 7&0 nach Chr. Diese beiden Reliquiare aus Flensungen und Hausen sind die einzigen, die man bis jetzt in Oberhessen gefunden hat. Der Fund stellt den einzigen fränkischen unserer Gegend dar und hat dadurch eine besondere Bedeutung.
Literatur: Otto Kunkel: Oberhessens vorgeschichtliche Altertümer, 1920 Werner Jorns: Der Raum des Kreises Alsfeld in frühgeschichtlicher Zeit, in "Der Kreis Alsfeld", 1972 und Eberhard Stephan: Siedlung in Vergangenheit und Gegenwart in ,,Landkreis Alsfeld", 1905 Eberhard Crusius: Der Kreis Alsfeld, 1974 Astrid und Erich Schumacher: Die Hallstattzeit im Kreis Gießen 1976 .,Inventar" .Herbert Kosog: Das Dorfbuch Bernsfeld Hartmut Polenz: Die Latenezeit im Kreis Gießen, 1976,,Inventar "Wilhelm Albert von Brunn: Das mittlere Hessen in vor- und frühgeschichtlicher Zeit 1970 Max Söllner: Wanderungen zu ur- und frühgeschichtlichen Stätten Oberhessens 1980 Gerhard Herm: Die Kelten, 1975 Hanns Ferdinand Döbler: Die Germanen, 1975 Hans Reichardt: Die Germanen, 1978 Karl E. Demandt: Die Geschichte des Landes Hessen, 1980 Dietwulf Baatz: Die Römer, Hess. Rundfunk, 1981 Herbert Jäkel: Zur Geschichte in ,,Der Kreis Alsfeld", 1972 Otto Christ: Stellungnahme: ,,Reliquar Flensungen"