Ortsteil Bernsfeld
Backhaus im Grünen Weg
Mücke-Bernsfeld (rn)Dieses Backhaus wurde im Jahre 1936 erbaut. An dieser Stelle stand schon einmal ein Backhaus, welche aber durch die Enge der Kurve zurückgesetzt werden musste.
Für diese Zurücksetzung kaufte die Gemeinde von den Eheleuten Sauer eine Grundstücksfläche , damit die Straße in der Kurve verbreitet werden konnte.
Der Neubau im Jahre 1936 war notwendig, weil der Giebel des alten Backhauses zum Grundstück Rübsamen eingestürzt war. Der Eingang des alten Backhauses, welcher sich jetzt vom Grünen Weg her befindet,befand sich beim alten Backhaus von der Grundstücksseite der Familie Sauer.
In diesem Backhaus „Im Grünen Weg" fand von dem Jahre 1984 bis zum Jahre 2008, also insgesamt 24 Mal das jährliche Backhausfest des Kegelclubs „Die wilde Sieben" statt. Leider haben die Initiatoren diese beliebte Veranstaltung eingestellt, zumal der Reinerlös immer für gemeinnützige Zwecke bereitgestellt wurde.
Wir hatten in Bernsfeld zwei Backhäuser, einmal das Backhaus im Grünen Weg, diese wurde vom „Oberdorf" genutzt und ist jetzt noch in Betrieb und ein Backhaus in der Weitershainer Straße (früher Hauptstraße) dieses diente für das „Unterdorf". Dieses Backhaus wurde bei der Neugestaltung der Hauptsstraße in den 60er Jahren abgebrochen.
Ich möchte aber auch über die Nutzung und das Brauchtum dieser Backhäuser berichten, welche noch bis Anfang der 50er Jahre (1950) ihre Gültigkeit hatten.
So eilten bis zu den vorgenannten Jahren, Abend für Abend , sobald die Kirchenglocken zur Nacht läuteten, Frauen und Mädchen zu den Backhäusern um dort das Backspiel, für das am folgenden Tag stattfindenden Brotbacken vorzunehmen.
Hier wurden, entsprechend der teilnehmenden Parteien, ca. 4 cm lange Holzstäbchen mit Kerben versehen. Nur das erste Holzstäbchen erhielt keine Kerbe. Dieses galt als Niete. Nachdem jedem Backwilligen eine Zahl zugeteilt war, wurden sämtliche Holzstäbchen in eine Schürze der anwesenden Frauen gelegt. Die Ziehung erfolgte durch ein zufällig anwesendes oder herbeigerufenes Kind, damit jegliche Bevorteilung ausgeschlossen war.
Die gezogenen Hölzchen ergaben die Reihenfolge der Bäcker. Dadurch war es durchaus möglich, dass die niedrigstes Nummer mit dem letzten Platz vorlieb nehmen musste. Eine Ausnahmestellung nahm der Anhitzer ein, der jeweils am Montagmorgen als Erster sein Brot buk. Um den über Sonntag ausgekühlten Ofen die nötige Hitze zu geben, musste er 1-2 Wellen Reisig mehr „opfern". Da dieses Amt des Anhitzers wöchendlich, gemäß der Reihenfolge der Hausnummern, abwechselte , der Anhitzer also nicht erst bestimmt werden brauchte, nahm er an dem Backspiel nicht teil. Tag für Tag, mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage, waren nach diesem althergebrachten Brauch die Backhäuser belegt. Das erste Brot, das in den Ofen kam, erhielt in der Mitte, mit dem Finger gebohrt, ein Loch. Das war der „Lochlaib. Seine Rinde bekam die Kuh, die gerade kalbte, in ihr Getränk.
Als Zusatz zu dieser geschichtlichen Erwähnung, möchte ich noch ausführen, das ich öfters als Kind an diesem „Backspiel" teilgenommen habe.
Um aber von den damaligen geschichtlichen Ereignissen weiter zu berichten, hier die Backordnung für den Kreis Grünberg aus dem Jahre 1854, die für alle Backöfen der zum Kreis gehörigen Gemeinden, also auch für Bernsfeld und die übrigen Dörfer des einstigen Gerichtes Nieder-Ohmen Gültigkeit hatte.
- § 1: Jeden Montag, - fällt der Montag auf ein Fest, gilt der darauf folgende Werktag – es mag Sommer oder Winter sein, muß der Gemeindebackofen richtig geheizt werden. Das Anheizen muß von jedem Ortsangehörigen, der das Backhaus benutzt, auf der Ortsreihe geschehen.
- § 2: Das darauf folgende Brotbacken wird durch das Los bestimmt, welches täglich, mit Ausnahme von Sonntag, mittags 12 oder nach dem Feierabendläuten vorgenommen wird. Niemand darf mehr als eine Nummer einlegen, auch wenn mehrere zusammen backen wollen.
- § 3: Es darf niemand den Ofen nach dem vorhergehenden Bäcker länger als ¼ Stunde unbenutzt stehen lassen.
- § 4: Sollte jemand aus rechtlichen Gründen oder Notfall nicht gleich nachbacken können, so ist ihm die Vertauschung der Nummer gestattet., muß aber frühzeitig dem Nachmann Nachricht geben. Ausdrücklich untersagt ist, dass jemand mehrere Tage hintereinander mitlosen kann, um eine ihm passende Nummer zu erhalten.
- § 5: Jeder, der die erste Nummer hat, muß im Sommer um 4 Uhr, im Winter um 6 Uhr anfangen. Bis 10 Uhr haben die letzten zu backen. Sind sie noch nicht drangekommen, haben sie das Recht, am nächsten Tage zu backen, mit ihrer Nummer, die sie tags zuvor gezogen haben.
- § 6: Die Sommerbäckerei beginnt am 1. April, die Winterbäckerei am 1. Oktober.
- § 7: In den letzten acht Tagen vor einem Fest ist jeder den besonderen Anordnungen des Bürgermeisters unterworfen.
- § 8: Alles zum Backen notwendige Holz muß gehörig klein gemacht werden, damit dem Ofen kein Schaden geschieht. Obstdörren darin ist gänzlich untersagt.
- § 9: Wer etwas beschädigt, verunreinigt, verfällt neben der Wiederherstellung in Strafe.
- § 10: Vom Bürgermeister ist eine Kontrolle über das Backen einzurichten. Der Schlüssel des Backhauses muß Abends beim Polizeidiener abgegeben, und morgens dort geholt werden.
- § 11: Auftretende Streitigkeiten hat der Bürgermeister zu lösen.
- § 12: Zuwiderhandlungen gegen die §§ 1-7 werden mit 15–30 Kreuzer, gegen die §§ 8-11 mit 1-3 Gulden bestraft.
Willi Scholl
Ortsvorsteher